Harald Martenstein zu Gast auf der Kanzel

Martenstein legte das Jesus-Wort „Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen“ aus und erhielt für seinen kritischen Blick auf den „unbarmherzigen moralischen Extremismus“ der Medien und seine aktuelle Interpretation viel Applaus.

Harald Martenstein, der für sein literarisches Schaffen u.a. mit dem Henri-Nannen-Preis (2008) und dem Egon-Erwin-Kisch-Preis (2004) ausgezeichnet wurde, arbeitete als Redakteur bei der Stuttgarter Zeitung, dem Berliner Tagesspiegel und der Münchener Abendzeitung und wurde einem breiten Publikum durch seine seit 2002 in der ZEIT erscheinende Kolumne ‚Lebenszeichen‘ bekannt. Für seine Kanzelrede hat er sich eine der Seligpreisungen aus dem Matthäusevangelium (Mt 5,7) ausgesucht: „Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.“ Für Martenstein bedeutet Barmherzigkeit Milde, Großherzigkeit und Verzeihen und damit auch „Mitleid mit denen, die am Pranger stehen, ob nun zurecht oder unrecht“.

Das die Medien dieses Mitleid oft nicht haben, beweist Martenstein, indem er die Geschichte der Ruderin Nadja Drygalla erzählt. Der Lebensgefährte der erfolgreichen Sportlerin war Mitglied der NPD gewesen und hatte Kontakte zur rechtsextremen Szene. Während der Olympischen Spiele 2012 geriet diese Verbindung auch in den Blick einer breiteren Öffentlichkeit. Drygalla wurde von der Leitung der deutschen Olympia-Mannschaft vorgeladen und musste das Olympische Dorf verlassen. Obwohl Drygalla selbst sich von der rechten Ideologie distanzierte, waren einige Medien entrüstet, kritisierten ihre Beziehung zu ihrem Lebensgefährten und merkten an, dass Unterstützer der rechtsextremen Szene den deutschen Sport bei Olympia nicht repräsentieren dürften. Drygalla musste nach dieser medialen Hetzjagd ihre Sportkarriere an den Nagel hängen.

Foto: Johanna Nolte