4. Schlosskirchenprojekt
16. April – 24. Juni 2016
Schlosskirche der Universität Bonn
Das 4. Bonner Schlosskirchenprojekt, getragen vom Universitätsprediger, der Evangelischen Studierendengemeinde, dem Evangelischen Forum, dem Katholischen Bildungswerk sowie dem Referat für Presse und Öffentlichkeitsarbeit im Evangelischen Kirchenkreis Bonn, vereinigte verschiedene Zugänge aus Theologie und Astrophysik, bildender Kunst und Musik, Bibel und Literatur.
Der Himmel hat viele Perspektiven. Als Inbegriff des Grenzenlosen lässt er die unterschiedlichsten Betrachtungsweisen zu, seien sie profan, religiös, naturwissenschaftlich, philosophisch, ökonomisch, politisch oder wie auch immer motiviert.
Eine Projektionsfläche unserer Sehnsucht nach einem Leben auch jenseits irdischer Begrenzungen, wird der Himmel oft mit Wörtern beschrieben wie unbegrenzt, schwerelos, immateriell, unendlich, ewig. Zu diesen nehmen wir Zuflucht, wenn es darum geht, etwas so Unbegreifliches wie Geist, Spiritualität, Transzendenz zu umschreiben. In eben dieser Unfassbarkeit kann das Grenzenlose aber auch unheimlich und Furcht einflößend sein, ein abschreckendes Chaos.
Das gilt noch weit mehr für die umgekehrte Blickrichtung – von oben nach unten auf das irdische Leben. Die Ordnungen unserer Welt basieren auf Grenzsetzungen jedweder Art, mit tiefgreifenden Auswirkungen für den Einzelnen ebenso wie für die gesellschaftlichen und politischen Strukturen eines Landes. Grenzen zu hinterfragen, zu überschreiten, neu zu definieren, ist eine der elementaren Antriebskräfte der Zivilisation.
In Werken von zehn Künstler/innen wurden zahlreiche Aspekte von Grenzen/losigkeit in unterschiedlichen Medien visualisiert und hörbar gemacht.
So nähert sich Harald Naegeli in Tuschezeichnungen zur ‚Urwolke’ über die Beschränkung auf winzige Striche und Punkte der Grenzenlosigkeit geistiger Reflexion und Spiritualität. Christoph Gesing entfaltet in der seriellen Präsentation seiner ‚Duochrome’ die rhythmische und transzendente Qualität von Farbnuancen und ihres unerschöpflichen Zusammenklangs. In vergleichbarer Weise ist diese Qualität akustisch zu erleben in Michael Denhoffs Klangkomposition aus 12 Tönen. Sie bezieht sich zudem auf die über 639 Jahre gedehnte Komposition ‚As Slow As Possible’ von John Cage in der Buchardikirche in Halberstadt, die per lifestream zugeschaltet wird.
Noch weit längere, für irdische Maßstäbe grenzenlose, zeitliche Prozesse werden in Heiner Thiels Digitaldrucken von Meteoritenstrukturen sichtbar. Sie sind das einzigartige Ergebnis einer Jahrmillionen dauernden Abkühlung und somit ein unverwechselbarer Ausdruck astrophysikalischer Prozesse. Johanna Reichs poetisch verdichtete Videoarbeiten dagegen fangen den Kosmos in einer schwarz übermalten Leinwand und den Himmel in einer auf Asphalt gepinselten Wasserspiegelung ein. Aljoscha wiederum versteht seine biomorphen Formen aus diversen Kunststoffen analog zu biologischen Urformen als lebendige Wesen mit unbegrenzter Wachstumsfähigkeit, was bei aller Ästhetik auch ein Erschreckliches in sich trägt.
Naho Kawabes Interesse gilt Grenzen aller Art. Während sie für die Darstellung von Afrikas unterschiedlichen Grenzen mit farbigen Scherenschnitten eine eher spielerische Vorgehensweise wählt, folgt sie in einer Videoarbeit Walter Benjamins beschwerlichem Weg 1940 über die Pyrenäen bis zur spanischen Grenze. Silke Koch nähert sich dem ebenso hochaktuellen wie uralten Thema der Flucht in einer Arbeit, die an gestrandete Flaschenpost denken lässt. Ihre Installation ‚Imagine (after John Lennon)’ besteht aus Flaschen, die jeweils die Geschichte eines Flüchtlings in sich bergen.
Petra Siering stellt über eine zweiteilige Skulptur aus einer gegossenen Betonform auf dem Vorplatz und einer Marmorplatte, die an einer Säule hängend die Schwerkraft aufzuheben scheint, eine Verbindung zwischen Außen- und Innenraum her. Auf ganz andere Weise lässt Christoph Dahlhausen das Schlosskirchenprojekt und den Stadtraum miteinander korrespondieren. Sein interaktives Projekt ‚mirroring’ besteht unter Bezugnahme auf das Jubiläumsjahr 1816 aus 18 x 16 = 288 kleinen Spiegeln und verschiedenen Mitwirkenden, die damit Bilder – von sich selbst oder einem anderen Stück Realität – reflektieren können.
Dr. Susannah Cremer-Bermbach (Kuratorin der Ausstellung)

Silke Koch: „Imagine (after John Lennon)“

Aljoscha: „Eradication of Suffering“

Petra Siering: „Oberhalb – Unterhalb II“
Link zum Projekt: schlosskirchenprojekt.de